Katalonien – Einfach mal miteinander reden

In den vergangenen Jahren berichtete ich mehrmals aus Katalonien. Ich gebe zu, dass auch ich die wahre Ursache der Spannungen zwischen der Region und dem übrigen Spanien lange nicht erkannt habe – und sie vermutlich immer noch nicht voll durchschaue. Ich habe mir in den vergangenen Tagen und Wochen vor allem die wirtschaftlichen Aspekte angeschaut. Dafür habe ich mit vielen Menschen gesprochen, zugehört und dabei fiel eines auf:
Die Anhänger der Unabhängigkeit haben einen homogenen Diskurs mit immer wiederkehrenden Standardsätzen. Freiheit, Selbstbestimmung, bessere Infrastruktur, Ende der Gängelung durch Madrid. Wenn’s denn sein muss. Die Krönung war jedoch, dass mir eine Einzelhändlerin weißmachen wollte, dass man den Unterschied zwischen Katalanen und Spaniern doch merke, ja, sogar sehe.
Bei all meiner Offenheit für die Argumente der Unabhängigkeitsbefürworter – das war dann schlicht schon rassistisch. Ich glaube wirklich, dass Spanien viele Hausaufgaben vor sich hat. Es geht nicht nur um Katalonien. Der plurinationale Staat mit verschiedenen Sprachen und Bräuchen ist für Ausländer genau deshalb magisch anziehend. Nur intern bekommen die Spanier es nicht hin, diese Vielfalt zu lieben und zu leben. Ein erster Schritt wäre tatsächlich, sich für den anderen zu interessieren. Der Madrilene für den Katalanen, der Baske für den Andalusier – und umgekehrt natürlich auch. Miteinander reden, statt übereinander. Im Königreich der Tertulias (Radio-Debatten) wäre das schon fast eine Revolution – aber die braucht Spanien, jetzt mehr denn je. Denn Politik und Gesellschaft stecken in einer Sackgasse, in Madrid, Barcelona und ganz Spanien.